Jake Skowran, ehemaliger Leiter der Warenausgabe einer Fabrik, verlangt nicht viel vom Leben: eine Freundin, einen Fernseher, ein paar Spielwetten und Zeit für ein Bier mit seinen Freunden. Das reicht, um ihn glücklich zu machen. Doch zurzeit kann er dies nicht genießen. Seit seiner Entlassung aus der Fabrik, die nach Mexiko verlegt wurde, wartet er vergeblich auf eine neue Stelle, wie fast jeder in der Stadt mitten in Wisconsin. Warum nimmt gerade er, der unter seinen Kollegen den Ruf eines Moralapostels genießt, die Arbeit eines Auftragskillers an? Nicht die Gewalt treibt ihn zum Handeln, es ist das Geld, die Aussicht, alle Spielschulden auf einmal los zu sein und sich wieder einen Fernseher leisten zu können. Moralische Skrupel, die er früher gehabt hätte, kennt er nicht mehr. Zu sehr leidet er unter der Arbeitslosigkeit. So nimmt das Geschehen seinen Lauf: Er tötet die Ehefrau seines Auftraggebers, findet Gefallen an der Macht, die von der Waffe ausgeht, und handelt schließlich auch ohne Auftrag. Dabei treiben ihn nicht Geldgier oder bloße Gewalt, sondern, paradoxerweise, die aufrichtige Sehnsucht nach einem Job, einer Aufgabe. Im kapitalistischen System Amerikas, in dem nichts als Leistung zählt, sucht er Gerechtigkeit und soziale Nächstenliebe, die dort anscheinend keinen Platz mehr findet.
Levison deckt in seinem Roman Since the layoffs auf satirische und skurrile Weise Paradoxien der amerikanischen Gesellschaft auf und zieht den Leser plötzlich auf die Seite des Auftragskillers, der eben kein herkömmliches Exemplar seiner Gattung ist. Gerade dies macht den Roman Betriebsbedingt gekündigt, so der treffend ins Deutsche übersetzte Titel, aus. Es ist ein kurzweiliges, sehr unterhaltsames Buch und bis auf das überzogene Happy End nach amerikanischer Manier rundum gelungen und jedem zu empfehlen.
Doch auf Deutsch könnte das Buch noch besser sein, denn zu häufig wird dem Leser bewusst, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Englischen handelt: So wird „the one letter“ (das „one“ betont hier, dass es nur einen Brief gab – eine Konstruktion, die man gerne im Englischen verwendet) mit „den einen Brief“ übersetzt, obwohl es reichen würde, schlichtweg „den Brief“ zu schreiben. Ebenso „my own life” und „mein eigenes Leben“, wo auch das „eigene“ überflüssig ist und an das Englische erinnert. Und es tauchen offensichtliche Fehler auf, wenn „warehouse“ zum „Warenhaus“ statt zum „Lager“ wird. „Feature“ für „feature“, ein Computerprogramm, das Daten direkt an die Polizei überträgt, ist zwar nicht direkt falsch gewählt, da es im Deutschen auch eine technische Funktion bezeichnen kann, doch es passt nicht in den Sprachgebrauch der Hauptfigur Jake Skowran. Er ist nicht nur Mittelpunkt der Geschehnisse, sondern zugleich der Erzähler, der mittels seiner Sprache charakterisiert wird: Nicht zuletzt ist es seine Sprechweise, die ihn als einfachen, sensiblen, ehrlichen Menschen mit unschuldigen Absichten charakterisiert, der unter der Ungerechtigkeit der Gesellschaft leidet. Daher ist der Text von einem lockeren und sehr umgangssprachlichen Erzählton, einer alltäglichen, einfachen und gesprochenen Sprache geprägt, die Hans Therre an einigen Stellen durchaus versiert zu übertragen versteht. Zum Beispiel schreibt er, dass der Erzähler seine „lebenswichtigen Organe aus der Schusslinie“ bringen möchte, während dieser im Englischen versucht, „to conceal my main arteries“. Der Übersetzer hat sich von der wörtlichen Bedeutung gelöst und den Sinn der Aussage in eine gängige deutsche Sprechweise übertragen. Dies ist seine Stärke. Doch generell wählt Therre ein zu hohes Sprachniveau, das der Person des Erzählers nicht entspricht: „without checking the callers ID“ wird zu „ohne zuerst die Identität des Anrufers zu checken“. Während „ID“ ein geläufiges Wort ist, gehört „Identität“ doch in ein anderes Sprachregister – „ohne zuerst zu checken, wer es war“ entspräche hier eher der Sprechweise Jakes. Durchgängig fällt im deutschen Text eine zu starke Verwendung des Präteritums auf, das vor allem im Schriftlichen und weitaus seltener im Mündlichen verwendet wird und die Sprachebene hebt. Formulierungen im Perfekt würden den Textfluss durch die häufige Wiederholung von „haben“ stören. So ließe sich nachvollziehen, warum der Übersetzer im erzählenden Text das Präteritum vorzieht („Heute morgen wachte ich auf, erwartete einen weiteren leeren Tag, und heute Abend sitze ich“), doch diese Äußerung entspricht ganz und gar nicht dem mündlichen Erzählton des Textes. So klingt es merkwürdig und gestelzt, wenn der Übersetzer die Figuren im Präteritum sprechen lässt: „Das fragte ich mich auch schon.“ („I did wonder that.”) Einem norddeutschen Leser mag dies vielleicht nicht allzu merkwürdig vorkommen, doch in anderen deutschsprachigen Gebieten wirkt diese Art sich auszudrücken sehr gebildet. Dies passt nicht zu den Figuren. „Das hab ich mich auch schon gefragt“, würden die meisten sagen. Dem Text fehlt also seine sprachliche Natürlichkeit, die das Original gerade auszeichnet und die für die charakterliche Darstellung der Hauptfigur wesentlich ist.
Der Verlag Matthes & Seitz hat mit Iain Levison einen lesenswerten Autor nach Deutschland geholt, der sich auf unterhaltsame und auch kritische Weise mit einem Thema auseinandersetzt, das auch hierzulande die Menschen beschäftigt. Die Geschichte von Betriebsbedingt gekündigt weckt das Interesse an weiteren Werken des Autors. Dieser ist der Verlag dankenswerterweise im vergangenen Jahr durch die Übersetzung eines weiteren Romans nachgekommen: Abserviert. Mein Leben als Humankapital.
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Iain Levison: Betriebsbedingt gekündigt, aus dem Englischen übersetzt von Hans Therre, Berlin: Matthes & Seitz 2005, 219 Seiten, €19,80
Iain Levison: Since the Layoffs, New York: Soho Press 2003, 177 Seiten
Iain Levison, Sohn deutscher Eltern, ist in Schottland geboren und in den USA aufgewachsen. Nach einer Zeit beim Militär arbeitete er beim medizinischen Notdienst. Arbeitslosigkeit und permanente Jobsuche hat er am eigenen Leib erfahren: in zehn Jahren wechselte er 41 mal die Arbeitsstelle. Sein Kriminalroman Betriebsbedingt gekündigt war ein großer Erfolg in Amerika, Frankreich, Italien und Deutschland.
Hans Therre ist Autor und Übersetzer aus dem Englischen und Französischen.