„Folgende Eigenschaften sollte ein Übersetzer haben: Stil, Geduld, Bescheidenheit, Genauigkeit“, sagt Jean-Philippe Toussaint im Interview mit ReLü. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden: Bei aller Stilsicherheit bedarf es doch oftmals einer Menge Geduld, um mit der erforderlichen Genauigkeit dem Original gerecht zu werden. Doch wie bescheiden kann und soll ein Übersetzer sein?
Zweifellos gehört Bescheidenheit zum Übersetzerdasein, denn es ist bescheiden, sein Können ganz dem Werk eines anderen Schriftstellers unterzuordnen; es ist bescheiden, das bei einem geringen Verdienst unter Zeitdruck tun zu müssen; es ist bescheiden, nicht im Rampenlicht zu stehen, seinen Namen nur selten auf Buchtiteln zu lesen oder selten in Rezensionen erwähnt zu werden; es ist bescheiden, der Zitierte zu sein, ohne als solcher genannt zu werden…
Für weitere Bescheidenheit besteht jedoch kein Anlass, denn was wäre ein Bestsellerautor ohne seine Übersetzer? Wohl nur ein besserer Autor. Lediglich ein Bruchteil aller Exemplare eines Bestsellers wird in der Originalsprache gelesen. Erst Übersetzungen in zahlreiche Sprachen machen (mit einigen Ausnahmen) Millionenauflagen möglich und verhelfen dem Autor zu einem größeren Leserkreis – und zu größerem kommerziellen Erfolg.
Um dieser wichtigen Rolle gerecht zu werden, braucht ein Übersetzer aber noch eine weitere Eigenschaft: Einfühlungsvermögen. Die Fähigkeit, die Gedanken des Autors nachzuvollziehen und im extremsten Fall auch das Nichtgesagte zu erfassen und wiederzugeben. Schweigen, Verheimlichen, die Unfähigkeit und die Unlust zu sprechen finden sich gleich mehrmals in dieser Ausgabe von ReLü wieder. Doch trotz all dieser Schweigsamkeit kommt nicht zu kurz, was das eigentliche Metier der Übersetzer ist: die Sprache. So viele Stile, Register, Slangs und Idiolekte galt es zu übersetzen und diese Leistungen sollen hier betrachtet und gewürdigt werden.
Somit geht ReLü mit einer, wie wir finden, spannenden Mischung in die zweite Runde. Die positive Resonanz auf die erste Ausgabe hat uns in unserer Arbeit bestärkt und uns gezeigt, wie wichtig dieses Projekt tatsächlich ist. Daher bedanken wir uns an dieser Stelle noch einmal herzlich für die zahlreichen E-Mails und Kommentare und hoffen, auch mit dieser Ausgabe wieder Lust auf Lesen zu machen – vielleicht auch, mit dem Blick auf die Übersetzung, auf ‚Wieder-Lesen‘. Viel Vergnügen mit der zweiten Ausgabe von ReLü wünscht
Nina Restemeier für die ReLü-Redaktion