Rund 800 Seiten erzählen vom größten Unternehmenszusammenbruch der amerikanischen Geschichte, dem Niedergang des Energieriesen Enron. Im Klappentext heißt es, Conspiracy of fools beruhe ausschließlich auf Fakten. Der über 50-seitige Anhang lässt daran keinen Zweifel aufkommen, denn jedes Kapitel ist durch detaillierte Quellenangaben untermauert. Der Autor, Kurt Eichenwald, spricht im Vorwort von einem „narrative account“ (erzählendes Sachbuch). Dabei liegt der Schwerpunkt auf ‚erzählend‘, denn trotz der strengen Orientierung an Tatsachen liest sich das Original wie das Drehbuch eines Kinothrillers. Kurze, filmähnliche Szenen bauen Spannung auf und durch authentisch wirkende Dialoge entsteht Lebendigkeit. In die Erzählung eingebunden sind Erklärungen und alltagsnahe Vergleiche, die dem Leser das Kartenhaus windiger Finanztransaktionen verständlich machen sollen. Die Übersetzung aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm, Anne Emmert und Thomas Pfeiffer muss sich besonders daran messen, ob diese lebendige Erzählweise und die hohe Verständlichkeit der Beispiele erhalten werden können.
Bei der Übersetzung eines reinen Sachbuches wäre eine konsequent einheitliche Verwendung von Fachbegriffen angemessen gewesen. Diese Herangehensweise hat bei Verschwörung der Narren jedoch dazu geführt, dass die Dialoge nicht mehr authentisch wirken, weil bestimmte Begriffe unabhängig vom Kontext stets gleich übersetzt wurden. So sagt ein aufgebrachter Protagonist: „[…] LJM could buy Enron Wind and get it off the balance sheet“. Anstatt für „to get something off the balance sheet“ eine Ausdrucksweise zu wählen, die zu einem lebhaften, umgangssprachlichen Dialog passt (z. B. „… aus der Bilanz rauskriegen“), wird den Personen in der Übersetzung für dieses häufig vorkommende Thema fast ausnahmslos ein „außerbilanziell machen“ in den Mund gelegt.
Beim Ausdruck „asset“ sind die drei Übersetzer ebenso starr vorgegangen. Dieser Begriff wird in der englischen Fassung sehr häufig verwendet. In der Übersetzung wird „asset“ zwar inhaltlich korrekt mit „Vermögenswert“ übersetzt, aber auch dies ohne Rücksicht auf den Kontext. Im Deutschen würde man statt des allgemeinen Ausdrucks „Vermögenswert“ eher spezifizieren und z. B. von einer „Beteiligung“, einem „Wert“, einem „Geschäft“ oder einem „Unternehmen“ reden. Durch die ständige Wiederholung des „Vermögenswertes“ wirken die Dialoge monoton. Ein einfaches „It’s a great asset“ wird zu einem „Es ist ein hervorragender Vermögenswert“ und ein energisches „We’re just gonna sell a shitload of assets“ zu einem hölzernen „wir werden einen Riesenhaufen Vermögenswerte verkaufen.“ Der Verlust an Authenzität der Dialoge zieht sich durch das gesamte Buch. Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Übersetzer auf die einheitliche Verwendung der Begriffe geeinigt haben. Im Ergebnis zeigt dies leider, wie allzu konsequente Vereinheitlichung einem Text schaden kann.
Aus der überwiegend monotonen Übersetzung der Dialoge stechen einige kreative Lösungen besonders hervor. Im Original heißt es zum Beispiel, einige Abgeordnete würden nicht den Unterschied zwischen einem „Balance sheet“ (Bilanz) und einem „Balance Beam“ (Schwebebalken) kennen. Auch in der Übersetzung sind zwei ähnliche Begriffe gewählt, die aber durch ihre Gegensätzlichkeit zusätzliche Komik erzeugen, nämlich der buchhalterische „Jahresabschluss“ und „Silvester“.
In der Originalfassung sind die Scheingeschäfte und Bilanztricks sehr verständlich erklärt. Die Verständlichkeit ist in der Übersetzung in weiten Teilen gewahrt. Einzelne Beschreibungen sind jedoch im Deutschen nicht nachvollziehbar. Zum Beispiel wird eine verschleiernde Finanztransaktion im englischen Text damit verglichen, dass ein Mann die Versicherung für sein Haus bei seiner Frau abschließen würde, diese jedoch einen Schaden vom gemeinsamen Bankkonto begleichen müsste. In der Übersetzung entbehrt dieser Vorgang jeder Logik: „[…] als würde ein Mann die Versicherung für sein Haus von seiner Frau übernehmen, weil er sie nicht mehr bezahlen konnte, während seine Frau die Zahlungen für die Versicherung mit ihrem gemeinsamen Konto absicherte“.
Auffällig sind auch die vielen, zum Teil systematischen Anglizismen. Zum Beispiel bei den häufigen Verweisen auf „third parties“. In der Übersetzung hätte es gereicht, von einem „Dritten“ zu sprechen, stattdessen liest man wiederholt von einer „dritten Partei“. Speziell in der zweiten Hälfte scheinen häufig die amerikanischen Formulierungen durch, wenn man Ausdrucksweisen liest wie „Diät Cola“, „ich verstehe Sie laut und deutlich“ oder ein Geschäftsmann, der „out of town“ war, im Deutschen meint „ich war zwei Tage nicht in der Stadt“. Sinnentstellend wird dies z. B. im Falle des „hot spot for the heavyweights of the corporate and entertainment worlds“. Die Schwergewichte oder hohen Tiere werden in der Übersetzung zu „Übergewichtigen der Geschäftswelt“. Störend ist auch, dass englische Begriffe abwechselnd übersetzt werden oder unverändert bleiben, so heißt es mal „Speakerphone“ und dann wieder „Freisprechanlage“. Im Gegensatz zu der monotonen Umschreibung von Fachbegriffen in Dialogen wäre hier eine Absprache innerhalb des Übersetzer-Trios sinnvoll gewesen.
Diese Beispiele zeigen, dass sich durch die Übersetzung der Charakter des Buchs deutlich geändert hat. Conspiracy of fools ist in der amerikanischen Fassung trotz des strengen Faktenbezugs sehr authentisch erzählt. Diese Stärke ist in der Übersetzung verloren gegangen, vermutlich maßgeblich durch die fragwürdige Verlagsentscheidung, ein literarisches Werk zeitsparend von einem Team übersetzen zu lassen. Unverständliche Vergleiche und vermeidbare Anglizismen zeigen, dass auch an der Qualitätssicherung gespart wurde und führen zu einer insgesamt negativen Bilanz des Übersetzer-Trios.
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Kurt Eichenwald: Verschwörung der Narren, aus dem amerianischen Englisch übersetzt von Helmut Dierlamm, Anne Emmert und Thomas Pfeiffer, München: C. Bertelsmann 2006, 864 Seiten, €24,95
Kurt Eichenwald: Conspiracy of fools, New York: Broadway Books 2005, 784 Seiten