Musik, Literatur und Übersetzung – was hat das miteinander zu tun? Wer den Erzählband Session. Irish Stories des irischen Musikers Mick Fitzgerald liest, dem fällt auf: Literatur ohne Musik ist für ihn kaum vorstellbar. Und beim Lesen der Übersetzung von Gabriele Haefs wird klar, dass auch beim Übersetzen Musikalität eine Rolle spielt. Über dies und vieles mehr haben wir mit der renommierten Übersetzerin und Herausgeberin von Fitzgeralds Irish Stories gesprochen und sie gefragt…
Johanna Wais: Liebe Gabriele Haefs, welche Art von Leser stellen Sie sich für die deutsche Version von Mick Fitzgeralds Irish Stories vor?
Gabriele Haefs: Am Anfang habe ich vage an Irlandfans gedacht und an Menschen, die gern irische Musik hören. Aber eigentlich geht es mir darum, überhaupt Geschichten von Mick Fitzgerald zu sammeln und zugänglich zu machen. Egal, für wen.
Session ist Mick Fitzgeralds erstes Buch. War es schwierig, den Autor zur Preisgabe seiner Geschichten zu überreden?
Ich kenne Mick Fitzgerald seit 1980, da hat er schon geschrieben. 1986 war er bereits für einen sehr angesehenen irischen Literaturpreis nominiert. Ein Buch mit ihm zu machen, war gar nicht so einfach. Er war zwar von der Idee begeistert, wollte aber ständig etwas ändern. Außerdem sprudelte er vor neuen Ideen für Geschichten. Und diese Geschichten mussten erst mal geschrieben werden… Das wiederholt sich übrigens gerade bei den Arbeiten zum nächsten Buch.
Sie sind nicht nur die Übersetzerin, sondern auch die Herausgeberin und Entdeckerin für den deutschen Markt von Session. Statt einer zweisprachigen Ausgabe wurden jetzt zwei kleine Bände – ein englisch- und eine deutschsprachiger – veröffentlicht. Weshalb?
Das hatte etwas mit den Kosten und der Verkaufsstrategie des Verlages zu tun. Der Autor aber war sehr angetan von dieser Lösung und meinte, eine englischsprachige Ausgabe könne er bei seinen Auftritten in Dublin verkaufen. Vor zweisprachigen Büchern schrecken die Leute oft zurück.
Die Geschichten Fitzgeralds wirken wie aus einer älteren Zeit oder auf eine gewisse Art zeitlos. Täuscht der Eindruck?
Die einzige ältere Geschichte im Buch ist Die Geigenstunde. Alle anderen schildern die irische Gegenwart. Der Eindruck der Zeitlosigkeit entsteht, weil sich seit dem letzten Wirtschaftsboom in den 1980ern nicht viel verändert hat. Jetzt ist die nächste Krise da, aber die Obdachlosen waren eigentlich nie weg aus dem Dubliner Stadtbild.
Werden mit den Themen Alkoholismus, Musik und Religion nicht auch ein bisschen irische Klischees bedient?
Nein, das finde ich nicht. Sie sind ja weiterhin prägende Bestandteile des Alltags in Irland. Man kann sie natürlich als Klischees behandeln, so ungefähr jede Reisereportage über Irland macht das. Aber das hier ist schließlich Literatur – wenn z.B. Franz Dobler bayerische Szenen in seinen Büchern hat, enthalten die auch bayerische Elemente. Aber es ist trotzdem etwas ganz anderes als der Folklorismus im „Komödienstadl“.
Welche ist Ihre Lieblingsgeschichte?
Session, weil sie so viel Dubliner Kneipenstimmung der 80er Jahre hat und ich oft das Gefühl habe, alle Personen zu kennen ‒ auch wenn das natürlich nicht stimmt.
Worin lag für Sie die besondere Herausforderung bei der Übersetzung der Geschichten?
Vielleicht darin, dass ich mich persönlich angesprochen fühle. Ich habe Volkskunde studiert und damals meine Dissertation über ein irisches Thema geschrieben.
Was ist für Sie das Besondere an diesen Geschichten, was hat Sie daran am meisten fasziniert?
Die irische Atmosphäre, das viele Vertraute… Und natürlich, dass ich bei der Entstehung vieler Geschichten dabei war, als ‚Ratschlaggeberin’ oder ‚Vorlektorin’, oder wie immer man das nennen kann.
Obwohl Sie in Ihrem Nachwort schreiben, dass es keine Klammer gibt, unter der man Fitzgeralds Geschichten zusammenfassen könnte, fällt auf, dass es immer wieder um Musik geht. Wie ist Ihr Verhältnis zur Musik?
Wie mein Verhältnis zur Musik ist, kann ich gar nicht sagen. Mich hat eher interessiert, ob die Musikalität der Texte mit der von Mick Fitzgeralds Liedern übereinstimmt, und bei diesen Geschichten fand ich immer, ja.
Und wie ist es mit der Musikalität in der Übersetzung? Lesen Sie Ihre Übersetzungen laut, um zu überprüfen, ob Rhythmus und Klang stimmen?
Klar, ich lese sie laut, um zu hören, ob die Satzmelodie stimmt. Na ja, ob ich finde, dass sie stimmt. Ist ja ohnehin alles verdammt subjektiv.
Gab es besondere Ausdrücke, die typisch irisches Englisch sind? Wie kennzeichnen Sie diese in der deutschen Übersetzung?
Im irischen Englisch gibt es Wörter im Singular, die im ‚englischen’ Englisch Plural sind, z.B. „a trousers“, „a scissors“. Das lässt sich einfach nicht ins Deutsche retten. Es gibt auch Anspielungen auf die irische Geschichte, die nicht jeder sofort versteht. Ich hatte überlegt, an solchen Stellen kleine Erklärungen einzufügen, aber das hätte bei einem irischen Erzähler aufgesetzt gewirkt. Ich verlasse mich also darauf, dass der Leser unbekannte Wörter selbst nachschlägt.
Sie übersetzen nicht nur aus dem Englischen, sondern auch aus dem Walisischen und Gälischen. Fast jedes irische Dorf soll ja seinen eigenen gälischen Dialekt haben. Welchen haben Sie gelernt?
Das ist nun wirklich ein Klischee, Folklorismus eben. Auch jedes deutsche Dorf hat seinen eigenen Dialekt. Man kann fast allen Leuten anhören, aus welcher Gegend sie kommen, und sei es nur daran, ob sie Metzger, Schlachter oder Fleischer sagen, oder wie sie ihre Brötchen morgens auf dem Frühstückstisch nennen. In Wachtendonk, wo mein Vater herstammt, sagt man „wäsche“ für „waschen“ und in Kempen, woher meine Mutter kommt, „wosche“. In einem Radius von weniger als 10 Kilometern. Trotzdem gibt es eine Schriftsprache, auf die man sich irgendwann geeinigt hat – und so ist es auch in Irland. Meine Theorie ist, dass die Behauptung, ‚Jedes Dorf hat seinen eigenen Dialekt’ eher als willkommene Entschuldigung dient. So kann man sich nämlich, auch ohne Irisch zu sprechen, als Experte für irische Kultur, Literatur und Musik ausgeben.
Was macht Ihnen beim Übersetzen am meisten Spaß? Was übersetzen Sie am liebsten?
Der Umgang mit Sprache, Sprache zerlegen und auf ihre Bestandteile untersuchen zu können. Am liebsten übersetze ich historische Romane mit historischem Vokabular, wo die Leute sich Ihrzen und ausgestorbene Berufe auftreten, oder Sachen mit Slang und vielen Wortspielen.
Wie haben Sie die Session übersetzt? Zögerlich oder zügig?
Ich lese alles immer ganz oft und saue die Textvorlagen voll mit Ideen und Überlegungen. Irgendwann, nach mehrfachem Lesen, bilde ich mir dann ein, die Stimmung des Textes im Kopf zu haben, und schreibe alles auf. Und dann überarbeite ich den fertigen Text noch einige Male.
Und was machen Sie, wenn Sie einmal etwas nicht verstehen?
Die Autorin oder den Autor fragen! Mich mit Kolleginnen und Kollegen beraten. Und notfalls Auswürfeln – wenn beides nichts hilft oder der Autor, die Autorin nicht erreichbar ist.
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Mick Fitzgerald: Session. Irische Stories, übersetzt von Gabriele Haefs, Wien: Songdog Verlag 2010, 81 Seiten, 12 €
Mick Fitzgerald: Session. Irish Stories. Wien: Songdog Verlag 2010, 78 Seiten, 12 €
Mick Fitzgerald wurde 1950 in eine Dubliner Musikerfamilie hineingeboren. Sein Vater sang, die Mutter spielte Klavier und sang ebenfalls. Fitzgerald studierte in seiner Heimatstadt Dublin „Speech and Drama“, widmete sich jedoch erst einmal hauptsächlich der Musik und dem Journalismus. Seine Schauspielerkarriere begann 2000 mit einem Auftritt als Musiker in einem Kunstfilm. Session ist seine erste Buchpublikation.
Gabriele Haefs, geboren 1953, übersetzt die unterschiedlichsten Genres aus dem Norwegischen, Dänischen, Schwedischen, Gälischen, Niederländischen und Walisischen. Für ihre Übersetzungen erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Jugendliteraturpreis für Jostein Gaarders philosophischen Jugendroman Sofies Welt. Sie ist Herausgeberin mehrerer Anthologien.
Johanna Wais studierte Literaturübersetzen mit den Sprachen Englisch und Spanisch in Düsseldorf und Madrid. Sie lebt als freie Übersetzerin in Bremen.
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