Pablo Miralles ist nicht nur fett und faul, er ist auch vollends zufrieden damit. Er profitiert von den Einnahmen seines verhassten Bruders und vertreibt sich seine Zeit mit Joints, Sauftouren und Streifzügen durch Barcelonas Rotlichtviertel. Der Held aus Pablo Tussets Roman Das Beste was einem Croissant passieren kann ist bisweilen ein ziemlicher Stinkstiefel und schert sich nicht um gesellschaftliche Konventionen. Warum auch? Sein Leben ist doch völlig in Ordnung, wie es ist. Bis zu einem Anruf seines Bruders, „Miralles The First“, der ihn unverzüglich ins Büro beordert. Plötzlich wird sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt …
Nun wird die Angelegenheit vertrackt. Pablos Bruder hat einen Auftrag für ihn: Er soll eine Villa überwachen, in der sehr merkwürdige Gestalten ein und aus gehen und dabei rote Stofffetzen an einen Telegraphenmast vor dem Eingang hängen. Nur wenig später verschwindet sein Bruder spurlos und sein Vater wird von einem Auto angefahren. Jetzt muss Pablo nicht nur versuchen, seinen Bruder zu finden, sondern das Ganze auch noch vor seiner wegen des Autounfalls ohnehin schon hysterischen „Frau Mutter“ (von ihm nur „FM“ genannt) verheimlichen, sich mit seiner Whiskey trinkenden Schwägerin herumschlagen und ganz nebenbei auch noch die ewigen Verkupplungsversuche seiner reichen Eltern über sich ergehen lassen. Und was hat es eigentlich mit dieser Villa und den roten Fetzen auf sich?
Das Buch ist kein klassischer Detektivroman, vielmehr spielt der Autor mit dieser Gattung und baut satirische Elemente ein. Der Ich-Erzähler Pablo scheint zwar auf den ersten Blick ein echter Antiheld zu sein, er wird aber schnell zur Identifikationsfigur, deren politisch unkorrekte Art und fiese Sprüche man lieb gewinnt.
Eine große Schwierigkeit beim Übersetzen liegt darin, die oft sehr umgangssprachlichen Dialoge treffend zu übersetzen, damit sie ihre Bissigkeit nicht verlieren. Außerdem muss in der Übersetzung Pablos subjektive Sichtweise eingefangen werden, die das Buch so komisch und seine Hauptfigur so lebendig macht. Dies ist der Übersetzerin Susanna Mende hervorragend gelungen: Pablo verliert in der deutschen Übersetzung nichts von seinem Zynismus und seiner unverblümten Ausdrucksweise.
Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die verschiedenen Sprachebenen der Charaktere: Der respektlose Pablo, sein versnobter Bruder, seine kulturbeflissene Mutter oder deren gutmütige Haushaltshilfe Beba. Das sind nur ein paar der Figuren, die sich auch in der Übersetzung schon an ihrer Sprechweise erkennen lassen. Tusset arbeitet oft mit Lautmalereien, zum Beispiel, wenn Pablo mit vollem Mund ans Telefon geht und im spanischen Original nur ein „Séee…“ dabei rauskommt. Die Übersetzerin hat dies im Deutschen sehr gelungen zu einem „Mmmpf ?“ gemacht, was zugleich eine schöne Lautmalerei und eine passende, realistisch wirkende Lösung ist.
Stil und Humor des Buches sind mitunter recht derb und werden in der Übersetzung genau getroffen, wodurch Pablo umso authentischer wirkt. Das Buch beginnt behäbig mit einem Zitat aus dem Lied des Bären Balu aus dem Dschungelbuch, doch das Erzähltempo steigert sich rasant, bis zu einem recht plötzlichen und etwas abgehobenen Finale, das so gar nicht zum langsamen, lebensnahen Beginn passt.
Insgesamt übersetzt Susanna Mende durchweg sehr idiomatisch und mit einem guten Gespür für den Ton des Originals. Dank ihrer geschickten Übersetzung lernen wir die skurrilen Charaktere wie Pablos Schwägerin, die Kiffer im Park, den Kneipenbesitzer Luigi oder Pablos Freundin Fina kennen, wie sie wirklich sind – sie büßen nichts von ihrer Lebhaftigkeit ein. Auch der spanische Wortwitz und Pablos Schlagfertigkeit in den Dialogen bleiben in der Übersetzung erhalten. Somit bereitet die Übersetzung dasselbe Lesevergnügen wie das Original.
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Pablo Tusset: Das Beste was einem Croissant passieren kann, aus dem Spanischen übersetzt von Susanna Mende. Frankfurt am Main: Frankfurter Verlagsanstalt 2003, 384 Seiten
Pablo Tusset: Lo mejor que le puede pasar a un cruasán. Madrid: Lengua De Trapo 2002, 471 Seiten
Pablo Tusset, geb. 1965, arbeitete seinen eigenen Aussagen nach seit er dreizehn ist in den verschiedensten Jobs, z. B. als Maurergehilfe, Möbelpacker, Nachtwächter, in den USA als Tankwart, Straßenverkäufer, Graphiker, Blumenverkäufer und Programmierer. Lo mejor que le puede pasar a un cruasán ist sein erster Roman und wurde gleich ein großer Verkaufserfolg in seinem Heimatland Spanien. Zurzeit lebt und arbeitet Pablo Tusset in Barcelona und schreibt an seinem nächstes Werk. Er plant – wie er selbst sagt – den “nächsten Anschlag auf den bürgerlichen Geschmack“.
Susanna Mende ist seit dem Erwerb ihres Diploms als staatlich geprüfte Übersetzerin 1997 als freischaffende Übersetzerin tätig. Ein Jahr später erhielt sie ein Übersetzerstipendium des Berliner Senats für den Roman El pájaro bajo la lengua von Josan Hatero. 2000 erhielt sie außerdem ein Stipendium der Berliner Frauenforschung für Recherchen über Anne Sexton. 2002 folgte ein Stipendium der Berliner Übersetzerwerkstatt für den Roman Lo mejor que le puede pasar a un cruasán. Seit 2003 ist sie als Dozentin für das Übersetzen Spanisch-Deutsch an der Universität Potsdam tätig und schreibt Essays und Kolumnen für verschiedene (Online-)zeitschriften.