Der Titel sagt alles. Und nichts. Man stolpert über ihn, stutzt und kann sich angesichts des ebenso seltsamen Buchcovers ein Stirnrunzeln oder auch ein Schmunzeln kaum verkneifen. Was um Himmels willen ist ein Gapper?
Die Einwohner von Frip, einem kleinen Dörfchen, das aus drei wackeligen Hütten besteht, haben tagtäglich mit diesen kleinen Geschöpfen zu kämpfen. Gapper wohnen im Meer, sind in etwa so groß wie ein Tennisball, knallorange, haben unzählige Augen, einen verschwindend geringen Verstand und hegen starke Gefühle für Ziegen. Diese bringen sie zum Ausdruck, indem sie sich den Tieren an den Leib heften und freudig erregt vor sich hin kreischen. Die Ziegen wiederum zeigen sich auf diese Attacken hin eher beleidigt und verschreckt. Sie magern ab, liegen reglos auf der Koppel und geben keine Milch mehr. Hier liegt das Problem. Alle drei Familien aus Frip leben vom Verkauf der Ziegenmilch, und so bürsten die fünf Kinder achtmal täglich die Gapper von den Ziegen, tragen sie in Beuteln zur Klippe und werfen sie ins Meer. Das geteilte Schicksal schafft ein Gemeinschaftsgefühl im Dorf.
Eines Tages macht sich jedoch einer der weniger dummen Gapper ein paar Gedanken und gelangt zu dem Schluss, dass die Ziegenkoppel am Haus von Capable und ihrem Vater näher am Meer liegt und daher besser zu erreichen ist als die beiden anderen. Man beschließt also kollektiv, sich auf die dort grasenden Ziegen zu konzentrieren. Capable kämpft bis zur Erschöpfung gegen die Plage, bis sie schließlich ihre sowohl hochnäsigen als auch einfältigen Nachbarn um Hilfe bitten muss. Sie stößt auf Unverständnis und taube Ohren. Als sie nun ihre Ziegen verkauft, wendet sich das Blatt und Capable fällt eine großmütige Entscheidung, die den übrigen Dorfbewohnern den Spiegel vorhält und sie einsichtig werden lässt.
Dieses Kinder(und Erwachsenen-)buch ist eine phantasievolle, teils absurde Parabel über Hilfsbereitschaft und gleichzeitig eine kleine, sympathische Satire auf das soziale Miteinander an vermutlich vielen tausend Orten dieser Welt. Es kann ungefähr ab dem sechsten Lebensjahr (vor)gelesen und für jeden zum Lieblingsbuch werden. Die Skurrilität der Charaktere sowie auch der Geschehnisse macht es zu einem Unikat, das beim Lesen und ganz sicher auch Übersetzen große Freude bereitet. Dem Übersetzer ins Deutsche, Frank Heibert, ist diese Freude am Übersetzen förmlich ‚anzulesen‘. Er nutzt die Möglichkeiten des Deutschen, verwendet Neologismen und verstärkt stellenweise Charaktereigenschaften der Figuren durch bewusst gesetzte Sprach- oder Grammatikfehler in deren wörtlicher Rede. So wird aus dem englischen „What is she thinking?“ ein „Was denkt die denn?“, das den abschätzigen Tonfall der Nachbarn noch deutlicher macht; aus der englischen Vokabel „to crinkle“, die ein Kräuseln, Krümmen oder Biegen verlangen würde, die lautmalerische Neuschöpfung „zusammenkrumpeln“; und aus dem eher unspektakulären und nicht ganz so verkehrten „you and you alone“ ein „Allereinzigster“, der den Grammatikfreund kurz zusammenzucken lässt. Heibert gleicht damit aus, dass es in diesem Büchlein englische Wendungen und Worte gibt, die im Deutschen nicht oder nur schwer zu fassen sind. Wenn Capables Vater in einer seiner Erklärungen darlegt: „I have consistently been very consistent about it“, kann er in der Übersetzung nur „sehr, sehr konsequent“ sein oder in der Konsequenz einer näheren Übersetzung konsequent seltsam klingen.
Interessant ist in Bezug auf schwierig zu übertragende Wörter auch der sehr auffallende Namenswechsel der kleinen Heldin dieser Geschichte. Im Englischen noch „Capable“, also fähig und tüchtig, wird sie im Deutschen zu „Serena“, (lat.) heiter und glücklich, was zwar auf den Ausgang der Geschichte hinweisen mag, jedoch eine kleine Schieflage im Text bewirkt.
Insgesamt ist dieses Buch aber ein kleiner Schatz, dessen zugleich erheiternde und nachdenklich stimmende Wirkung durch die Illustrationen von Lane Smith zu einem sehr runden Gesamtwerk gefügt wird.
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George Saunders: Die furchtbar hartnäckigen Gapper von Frip, aus dem Englischen übersetzt von Frank Heibert. Berlin: Bloomsbury 2004, 90 Seiten
George Saunders: The Very Persistent Gappers of Frip. London: Bloomsbury 2001, 84 Seiten
George Saunders wurde 1958 geboren und wuchs in Chicago auf. Als junger Mann arbeitete er in einem Schlachthof und suchte auf Sumatra nach Öl. Seine Kurzgeschichten wurden bereits dreimal in O. Henry Award Collections aufgenommen und zweimal mit dem National Magazine Award ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in Rochester bei New York.
Frank Heibert studierte Romanistik und Germanistik in Berlin, Rom und Paris, bevor er sich dem Literaturübersetzen widmete. Er überträgt Literatur aus dem Englischen, Französischen, Italienischen und Portugiesischen. Frank Heibert schreibt außerdem Rezensionen und hält Vorträge zu Übersetzungen.